Hallo! Wir sind eine Geschichts-AG des Joseph-König-Gymnasiums in Haltern am See und möchten in diesem Blog über unsere Erlebnisse in Lublin berichten. Wir werden uns mit der Geschichte von Polen und Deutschland auseinandersetzen. Wir beschäftigen uns auf dieser Fahrt vor allem mit dem Holocaust und werden das ehemalige Konzentrationslager in Majdanek besuchen.
Heute, am 06.07. startete unsere Reise nach Lublin in Polen. Auf dem Weg von Warschau nach Lublin überraschte uns die ländliche Gegend Polens. Nachdem wir in unserem Hotel angekommen waren, zeigte uns unsere Reiseleiterin Katja das Schloss von Lublin, über welches wir morgen mehr erfahren werden. Danach zeigte sie uns die Altstadt, wo wir unsere erste polnische Mahlzeit aßen. Währenddessen fand auf einem Marktplatz ein traditionelles, polnisches Tanzfest statt, welches uns sehr beeindruckte. Auch die vielen Straßenmusiker bewunderten wir sehr. Am Ende dieses Abends nannten wir Erwartungen und Hoffnungen an diese Woche, welche wir morgen genauer besprechen werden. Ebenfalls nannten wir Situationen, die wir in dieser Woche ungern erleben wollen.
Wir sind sehr gespannt auf die vielen Eindrücke, die uns morgen erwarten. Wir werden eine Stadtführung durch Lublin machen und die Jeschiwa (heutige Synagoge) besuchen. Wir hoffen auf viel neues Wissen und viele neue Eindrücke von Polen.
Am zweiten Tag haben wir einen Stadtrundgang in der historischen Altstadt Lublins unternommen. Nach einer kurzen Einweisung besuchten wir eine Synagoge, die als eine der wenigen noch in Lublin erhalten ist. Dort besprachen wir die vorhandenen Elemente eines jüdischen Gotteshauses und die lokale Historie. Dem imposanten Gebetsaal folgte eine Ausstellung, in welcher das Gemeindeleben der dortigen Juden kurz thematisiert wurde. Als nächsten Programmpunkt gingen wir in das Zentrum der ehemaligen Altstadt und besuchten die größte katholische Kirche im Ort, welche Aufschluss in einem Fresko über die Aufteilung der Stadt im Mittelalter gab. Auf dem Weg zur Kirche liefen wir durch das ehemalige Stadttor, welches die Unterstadt und die Oberstadt im Mittelalter voneinander trennte. In der Oberstadt wohnten überwiegend Christen und in der Unterstadt Juden. Die Menschen lebten getrennt voneinander. Auch das neuere „Krakauer Tor“ durchliefen wir auf unserem Weg zum neuen Stadtzentrum. Nach einer Mittagspause statteten wir dem „Theater NN“ einen Besuch ab und erfuhren einiges über die Juden, die bis zum Dritten Reich in Lublin lebten und ein Viertel der städtischen Bevölkerung, insgesamt 40 000 Personen, ausmachten. Wir erhielten einen Einblick in die intensive Recherche der lokalen Bürger, die in den 90ern mit einer Theater-Gruppe im Krakauer Tor begann. Auch in Lublin erblickt man wie in Deutschland Mahn- und Denkmäler, die an die Verbrechen der Nationalsozialisten erinnern.
Am Abend resümierten wir die gesammelten Informationen auf den Ruinen der ältesten Kirche Lublins. Besonders das Ausmaß der Auslöschung eines Viertels der Bevölkerung und die damit verbundene Zerstörung eines ganzen Stadtteils blieb uns Schülern im Gedächtnis hängen.
Am dritten Tag, dem 8. Juli, haben wir uns auf den Weg in das Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek gemacht . Um die Historie und das Geschehen des Konzentrationslagers Majdanek besser verstehen zu können, sind hier einige der wichtigsten Fakten:
- Der Befehl zum Bau des Lagers kam im Juni 1941 von Reichsführer SS Heinrich Himmler. Das Lager umfasste 270 Hektar und war ursprünglich für 25.000 bis 50.000 Gefangenen gebaut worden. Später wurde es jedoch auf bis zu 150.000 Plätze erweitert
- 12. Dezember 1941: die ersten Juden wurden in das Konzentrationslager Majdanek deportiert
- März 1942: erste Massendeportationen
- Mai 1942: das KZ wurde auf 40 000 Gefangene kontrahiert
- 14. Juli 1942: 86 Juden gelingt die Flucht
- September 1942: die ersten Gaskammern werden eröffnet
- März 1943: Majdanek nimmt von nun an Kinder auf
- November 1943: die Exekution von 18000 Juden findet durch ein Erschießungskommando statt ( Aktion "Erntefest")
- März 1944: die Nationalsozialisten leiten die ersten Evakuierungsmaßnahmen ein
- Mai 1944: Majdanek wird von sowjetischen Bomben angegriffen
- 22 Juli 1944: die letzten überlebenden Juden werden exekutiert
- 23 Juli 1944: die rote Armee befreit das KZ
Unsere Führung durch das Konzentrationslager begann mit der Besichtigung der Arbeitsstellen des ehemaligen Personals. Diese Arbeitsstellen zeigen, wie viele Beteiligte und Mittäter an dem Holocaust mitgewirkt hatten. Die Besichtigung des Konzentrationslagers machte uns deutlich, wie nah sich dieses am Stadtrand befunden hatte und wie offensichtlich das Geschehen vonstatten ging. Von außen konnten wir die Bad- und Desinfektionsanlagen sowie die Gaskammern, welche wir von Innen leider nicht besichtigen konnten, betrachten.
Unsere Führung durch das Lager zeigte uns die 18 verschiedenen Wachtürme auf, welche über das Gelände verteilt waren und so einen Rahmen um das gesamte Lager bilden. Die Besichtigung einer Baracke, in der Bilder von dem ehemaligen Lager, sowie vom heutigen Zustand zu sehen waren, machte uns die über die Zeit entstandenen Veränderungen bewusst. Besonders eindrucksvoll war dabei die Luftaufnahme des Konzentrationslagers, bei der man die genaue Lage jeder Baracke erkennen konnte.
Außerdem wurden wir über die damalige Situation der Juden, die in das Lager gebracht wurden, aufgeklärt, bei der die unmenschlichen Verhaltensweisen der Nationalsozialisten deutlich wurden. Die Juden wurden vorerst in arbeitsfähig und arbeitsunfähig unterteilt (Selektion) und danach einer Rasur, sowie Dusche unterzogen, bei der sie eine Entwürdigung am eigenen Körper erfahren mussten. Als arbeitsunfähig galten Alte, Kranke und Kinder; sie wurden nach der Selektion in den Gaskammern ermordet.
Erschreckend waren auch die 750 kg Haare der Frauen und Männer, die in der Zeit gesammelt und zu Filz verarbeitet wurden. Ebenso beeindruckend, wie auch bedrückend, war der Schuhraum, in dem circa 50.000 Schuhe der Opfer gesammelt und auf engsten Raum verstaut wurden. Um die Situation der Juden besser nachvollziehen zu können, wurde uns auch eine Baracke, die typisch für eine Wohnsituation der Juden war, gezeigt. Dabei sollte eine Baracke für 250 Leute als Schlafplatz dienen, wurde jedoch teilweise für 800-1000 Menschen genutzt.
Das ehemalige Konzentrationslager führte uns vor Augen, unter welchen grauenvollen Lebensbedingungen und unmenschlichen Wohnverhältnissen die damaligen Insassen leben mussten. Besonders ein Zitat eines damaligen Gefangenen blieb uns im Gedächtnis, was besagt: „Unser Schicksal soll euch eine Warnung sein“.
Heute, am 09.07., sind wir erneut in das Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek gefahren. Nachdem wir gestern die eindrucksvolle Führung bekommen hatten, haben wir uns heute in Kleingruppen mit verschiedenen Themen genauer auseinandergesetzt. Diese Themen wollen wir im Folgenden zum besseren Verständnis kurz vorstellen. Eine Gruppe behandelte die Lebensumstände im Lager, wie die Menschen dort allgemein versuchten zu überleben und wie ihr Alltag aussah. Eine Gruppe fokussierte sich auf die Umstände, die für Frauen und Kinder im Konzentrationslager herrschten. Eine weitere Gruppe hatte die Täterinnen des Lagers als Thema und stellte zwei Aufseherinnen vor.
Zudem wurde der SS-Lagerarzt Heinrich Rindfleisch und seine Taten im Lager Majdanek, aber auch anderen Lagern, vorgestellt.
Außerdem hat sich eine Gruppe mit den NS-Tätern beschäftigt. Anhand von zwei Beispielen wurde dargelegt, was die Männer getan haben (z.B. die „Fleckfieberaktion“ 1942 - alle kranken Häftlinge wurden ermordet zum „Schutze“ der Anderen), wie es für sie gerichtlich nach dem 2. Weltkrieg weiterging und wie sie sich rechtfertigten. Beide zeigten keinerlei Einsicht in dem Prozess.
Die letzte Gruppe beschäftigte sich mit dem Thema „Widerstand im Konzentrationslager Majdanek“. Dabei erfuhren wir viel Neues, da einem meist nicht bewusst ist, dass es auch in solchen Lagern Widerstand gab. Zum Beispiel wurden in Majdanek zur „Verschönerung“ einige Statuen aufgestellt. Für die Häftlinge hatten diese aber eine andere Bedeutung, zum Beispiel sollte die Schildkröte dafür stehen, möglichst langsam und ineffizient zu arbeiten, um die Nationalsozialisten so wenig wie möglich zu unterstützen.
Nach der Bearbeitung der Quellen hatten wir die Möglichkeit einen individuellen Rundgang über das Gelände zu machen. Dort konnten wir, anders als am Vortag, auch die Austellungsbaracke betreten und einige Exponate der damaligen Zeit, beispielsweise die typische Kleidung der Inhaftierten näher betrachten.
Unter anderem fanden wir alltägliche Dinge, wie Rasierer, Löffel und kleine Spielzeugfiguren oder auch Schuhe vor. Zum anderen aber auch Patronenhülsen, leere Zyklon B Dosen und ehemalige Galgen.
Außerdem sah man einige Fragmente von Unterlagen und Briefen, welche persönliche, aber auch formale Inhalte besaßen.
Ebenfalls hatten wir die Möglichkeit, uns einen sogenannten "Schrein" , eine Kunstinstallation aus Stacheldraht in Kugelform und Glühbirnen, in einer dunklen Baracke mit schauderhaften Klängen anzuschauen.
Es wird nicht gesagt, wie man dies zu deuten hat, jeder solle eine Deutung für sich selber überlegen und sich damit auseinandersetzen.
Unser erster Halt heute war das kleine Dorf Izbica, welches 10 km von der ukrainischen Grenze entfernt liegt. Izbica spielt historisch gesehen eine wichtige Rolle, da es als eine Art freies Ghetto für viele Juden als Aufenthaltsort diente.
Die Anzahl der Juden stieg von 1939 mit 4000 innerhalb von 2 Jahren auf 27000 an. Dieser Anstieg der Bevölkerung brachte viele Probleme mit sich, wie zum Beispiel Wohnungsnot, Hunger und durch mangelnde Hygiene hervorgerufene Epidemien. Ab 1942 begann die Deportation der Juden nach Belzec und Sobibor, beide Vernichtungslager. Dafür versammelten sie sich auf dem Marktplatz, auf welchem schon viele verstarben, und wurden anschließend zu den nahegelegenen Bahngleisen gebracht. Die Deportationen dauerten bis April 1943 an.
Ein bedeutsamer Mann berichtete den Alliierten erstmals von den Zuständen in den Ghettos. Sein Name war Jan Karski.
Ein wichtiges Ereignis war der 2. November 1942, welches die Brutalität der SS-Männer im Umgang mit den Juden zeigte. An diesem Tag wurden auf einem jüdischen Friedhof ca. 1000 Juden erschossen, nachdem sie zuvor unter schlechtesten Bedingungen eine Woche lang in einem Feuerwehrhaus eingesperrt waren.
Auf unserm Weg durch das Dorf sahen wir noch weitere Gedenktafeln.
Unsere zweite Station war die wichtige Gedenkstätte Belzec. Belzec war ein Vernichtungslager, in welchem ca. 500000 Menschen ums Leben kamen. Am 17. März 1942 wurde es als erstes Lager der Aktion Reinhardt eröffnet und wurde von da an 10 Monate lang genutzt. Es umfasste nur eine Fläche von ca. 8 ha. Als die Juden mit der Bahn ankamen, ahnten sie oft noch nicht, was sie erwarten würde. Ihre Leben würden in den kommenden 5 Stunden ein Ende finden. Sie mussten über einen schmalen, langen Weg gehen, der von den Nazis auch „Spalte" genannt wurde. Dieser führte zu den sechs Gaskammern, in denen die Menschen innerhalb von 15 Minuten starben. Ihre Leichen wurden in Massengräber getragen. Im Gegensatz zu anderen Vernichtungslagern gab es in Belzec kaum Überlebende: Lediglich zwei Männer haben es geschafft zu fliehen.
Heutzutage ist von dem Lager nichts mehr zu sehen, es wurde von den Nazis vollständig zerstört, die Leichen wurden verbrannt und auf dem Gelände entstand zunächst ein Bauernhof. Vor 15 Jahren errichteten polnische Architekten ein Mahnmal, um an das schreckliche Geschehen zu erinnern. Beim Betreten des Geländes steht man zunächst auf einem Betonboden, welcher die damalige Rampe von den Bahngleisen darstellen soll. Von dort führt, wie damals, ein schmaler Weg zu einer Gedenktafel. Schlackefelder begrenzen links und rechts den Gang. Je näher man der Gedenktafel kommt, desto höher werden die Begrenzungen des Weges, bis sie eine Höhe von neun Metern erreichen. Dies verursacht eine bedrückende Stimmung und symbolisiert die Ausweglosigkeit der Gefangenen. Die gesamte Gedenkstätte enthält viele Symbole und lässt Raum für zahlreiche Interpretationen der Besucher.
Am Ende besuchten wir noch die Ausstellung an der Gedenkstätte. Daran schloss sich auch ein großer, dunkler Raum an, der zum Nachdenken angeregt hat. Die riesige Leere machte einen großen Eindruck auf uns, einige Mitschüler beschrieben ihn als „beklemmend“. Er gab uns das Gefühl, klein und auf eine Art „unwichtig“ im Hinblick auf die Geschichte zu sein.
Wir fuhren mit dem Bus zu unserem letzten Programmpunkt oder Zielort Zamość. Währenddessen war die bedrückte und nachdenkliche Stimmung deutlich zu spüren.
Die durch die Spätrenaissance geprägte Stadt Zamość wurde in der NS-Zeit „germanisiert“, was verdeutlichte, dass diese Zeit nicht nur schreckliche Folgen für die Juden, sondern auch für die polnische Zivilbevölkerung hatte. Dies lernten wir bei einer kurzen Stadtführung.
Anschließend konnten wir uns in der Stadt frei bewegen und gingen alle zusammen Eis essen. Dadurch kamen wir wieder auf andere Gedanken und freuten uns wieder, wie zum Beispiel über Seifenblasen auf dem Marktplatz.
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